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STARCRAFT II
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Zwölf Jahre nach dem ersten Teil und sieben Jahre nach dem letzten Produkt, das nicht "World of WarCraft" im Namen trug, stellt Blizzard "StarCraft II - Wings of Liberty" (SC2) fertig. Und ich bin überrascht, dass ich diesen ersten Satz so kurz fassen konnte, denn eigentlich war ich versucht sowas wie "den heiligen Gral des eSports" oder "das Strategiespiel, das alle anderen in der Ladepause zerfickt" bereits im ersten Satz zu schreiben. Das hat einen ganz einfachen Grund: "SC2" ist so gut, dass selbst wenn ich jeden noch so kleinen Fehler auf die Goldwaage lege, ich immer noch sagen muss: Jo, das war's dann für alle anderen, die da irgendwo im gleichen Fahrwasser schwimmen, dies ist das mit Abstand beste Echtzeitstrategiespiel, wird es auch viele Jahre bleiben und wird seinen Vorsprung vielleicht mit der Veröffentlichung des Zerg Kapitels "Heart of the Swarm" 2013 und des Protoss Kapitels "Legacy of the Void" 2015 noch weiter ausbauen können. |
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Das komplette ErlebnisUnd dies hat wiederum einen einfachen Grund: "SC2" ist sowohl komplettes Single- als auch komplettes Multiplayerspiel und in beiden Disziplinen allen Konkurrenten haushoch überlegen. Dies kann man als meinen ganz persönlichen Geschmack und Eindruck abtun, aber wer sich allein mal anguckt, wie schnell bereits während der "SC2"-Betaphase "StarCraft - Brood War" (1998) und der Quasivorgänger "WarCraft III - The Frozen Throne" (2003) für Spieler wie auch Turnierveranstalter uninteressant wurde und alle Planungen nur noch mit "SC2" liefen, der weiß, ich fabulier hier keinen Scheiß. Aber zunächst zum Singleplayermodus: Dessen Herzstück ist wie erwartet die Kampagne. Insgesamt gibt es 30 Missionen, wobei drei von sechs je nach Entscheidung für eine Vorgehensweise übersprungen werden, sich der Einheitenmix des Gegners in der finalen Mission je nach Vorgehensweise in der letzten Alternativmisson ändert und eine geheime Mission zuerst während einer anderen Mission direkt in der Kampagne freigespielt werden muss. Wer die Kampagne nicht zweimal spielen will, kann die drei alternativen Missionen nachträglich aus seinem Missonsarchiv auswählen und sich so noch daran versuchen, an die geheime Mission gelangt man allerdings nicht nachträglich. |
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Gut integrietes TutorialWährend sich die ersten beiden Missionen ganz klar an Neueinsteiger richten, die gerade die Tutorials hinter sich gebracht haben, zieht sowohl der Schwierigkeitsgrad als auch die Originalität der Einsätze danach stark an. Hierbei ist positiv zu erwähnen, dass einer von vier Schwierigkeitsgraden vor jeder Mission erneut ausgewählt werden kann. Wer also irgendwann feststellt, dass er über- oder unterfordert ist, braucht keine komplett neue Kampagne zu starten, sondern muss lediglich bei der nächsten Mission seine Wahl anpassen. Umso mehr fielen mir geradezu die Augen aus, als ich in der werbefinanzierten Presse laß, dass "SC2" auf dem normalen, zweiten Schwierigkeitsgrad zu leicht ist, dies wiederum ein zu großes Zugeständnis an Neueinsteiger wäre und deshalb von einer guten Balance nicht die Rede sein könne. Es bedarf vermutlich eines deutlich geringeren IQs als den eines toten Hängebauchschweins, um die soeben beschriebene Änderung beim Schwierigkeitsgrad vorzunehmen, aber mehrere hochqualifizierte Tester mit jahrelanger Erfahrung haben es nicht geschafft. BRAVO!!! *tilt* |
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Viel Feind, viel Ehr!Auf den höheren Schwierigkeitsgraden winken natürlich auch wesentlich mehr Achievements. In der Vergangenheit war dieser Motivationsversuch in der Echtzeitstrategie eher im Bereich der fortgeschrittenen Kinderkacke anzusiedeln, "SC2" schafft es jedoch oft die Achievements so zu nutzen, dass viele Missionen nicht nur schwerer sondern auch anders zu spielen sind. So soll man z. B. in der dritten Mission "Zero Hour" nur solange die Zerg abwehren, bis man evakuiert wird. Zusätzlich winkt jedoch ein Achievement, wenn man auf der Stufe "Hard" auch noch vier Brutstätten der Zerg einreißt, was natürlich bedeutet, dass weniger Verteidigung für die Basis bleibt und man an zwei Stellen gleichzeitig aktiv ist. Aber das erste "StarCraft" (1998) setzte damals nicht nur beim Missiondesign im Bereich der Echtzeitstrategie neue Maßstäbe sondern auch bei der Story. Und dies gelingt "SC2" erneut. Sicherlich ist man abseits der Präsentation noch nicht ganz auf Augenhöhe mit "Mass Effect 2" (2010), "Dragon Age: Origins" (2009) und "The Witcher" (2007), aber diese können als Rollenspiele auch einen viel größeren Fokus auf die einzelnen Charaktere legen. |
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Trink, Brüderlein, trink!Anders als bisher üblich bleibt man nicht als gesichtslose Befehlshaber außen vor, sondern Jim Raynor dient dem Spieler konkret innerhalb der Story als Identifikationsfigur, was vermutlich um so leichter fällt, wenn man selbst säuft wie ein Loch. Raynor lebt praktisch nur noch dafür Imperator Mengsk zu schaden, aber es fehlt ihm eigentlich an allem, was man so braucht, um eine wirklich schlagkräftige Armee ins Feld zu führen. Somit verlegte er sich in jüngster Vergangenheit komplett auf Sticheleien, die von Mengsks Regime als Terrorakte gebrandtmarkt werden. Erst als sein alter Kumpel Tychus Findlay einige lukrative Jobs an Land zieht, kommt Leben in die Revolution. Was ich eben beschrieben habe, wird von den Typen, die den Schwierigkeitsgrad nicht geändert bekommen, übrigens als langatmiger Anfang beschrieben. Wer nicht ganz so Egoshooter geschädigt ist, erkennt aber durchaus, dass hier eine Charakterisierung erfolgt und nach drei Missionen als Kontrast laut im Vergleich zu leise besonders laut klingt, wenn es zuvor nicht schon stundenlang verdammt laut war. Da wundert es auch wenig, dass sich die Pfeifen beschweren, dass die Geschichte der Triologie nicht gleich nach dem ersten Teil endet... |
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Wie in "Wing Commander"Mehr als dass die Story einige Wendungen erfährt und sich unter den insgesamt 30 Missionen auch vier Protosseinsätze befinden, soll hier aber nicht verraten werden. Herausposaunen muss ich allerdings, dass anstatt dröger Textwüsten und Menüs zwischen den Einsätzen ein Raumschiff auf einen wartet, auf dem ich wie damals im Klassiker "Wing Commander" (1990) Gespräche führe und zusätzlich noch meine Resourcen in verschiedene Upgrades und Söldner investiere, was wiederum ganz eigene Strategien in den verschiedenen Missionen erlaubt und die Wiederspielbarkeit der Kampagne deutlich erhöht. Abgerundet wird das Gesamtpaket Kampagne auf der künstlerischen Seite neben einer traumhaft stilsicherer Musik mit nicht weniger als 32 Minuten in-engine on-the-fly cinematics und weiteren 13 Minuten pre-rendered cinematics, die optisch und akustisch zum Besten gehören, was die Videospielbranche zu bieten hat und mit allen, was "Command & Conquer" & Co. in den letzten Jahren an Augen- und Ohrenkrebs verbrochen haben, den Boden aufwischt. |
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Jeder gegen jedenDen Multiplayermodus konnte ich ja bereits einige Monate während der Beta genießen und finde den hervorragenden Eindruck, den das Spiel schon damals machte, nur bestätigt. War die Kartenauswahl während dem überwiegendem Teil der Beta noch etwas beschränkt, so ist der Pool mit nunmehr 34 wunderbar unterschiedlich gestalteten Karten für die acht Spielmodi 1v1, 2v2, 2v2 Random, 3v3, 3v3 Random, 4v4, 4v4 Random und FFA gut gefüllt. Die Balance der drei sehr verschiedenen Völker Terraner, Zerg und Protoss ist so früh nach der Veröffentlichung schon verdammt gut. Die Mehrzahl der Spieler sieht die Terraner derzeit minimal vorn, da man sich zu Spielbeginn effektiv abschotten kann, die Einheiten sich sehr gut ergänzen und mit dem Siegetank und dem Viking früh und relativ günstig sowohl die Boden- wie auch die Lufthoheit erobert werden kann. Ich bin aber zuversichtlich, dass ich mir demnächst einfach die passenden Taktiken bei jemanden abschauen kann, der's im Gegensatz zu mir richtig im Ei hat. |
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Im Team noch schönerWährend ich in der Beta ganz überwiegend allein unterwegs war, habe ich seit dem Launch auch viele 2v2 Matches mit meinem Protoss Partner "König" Slice genossen. Genossen deshalb, weil sich die Möglichkeiten aufgrund der verschiedenen Gegner- und Einheitenkombinationen locker verdoppeln. Allerdings ist auch die Reaktionszeit wesentlich kürzer, wenn man die halbe Armee dumm abgeräumt bekommt, weil die Gegner mit Einheiten auftauchen, die man so nicht gescoutet oder vermutet hatte. Entsprechend gibt es Stimmen, dass sich "SC2" zu schnell spielt, dass bei Gefechten unter 15 Minuten von Strategie nicht die Rede sein kann. Falscher kann man jedoch nicht liegen, denn wer seinen Stiefel ohne zu scouten endlos runterzuspielt, immer wieder weggefegt wird und sich dann nicht mal die Replays anguckt, kann doch nicht ernsthaft von sich behaupten, dass er in seinem Vorgehen soetwas wie Strategie zeigt. Da könnte man auch immer rückwärts laufen und sich beklagen, dass die anderen jedes Wettrennen gewinnen. |
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Ligasystem motiviertNeben dem Matchmakingsystem, dass einen zuverlässig und mit weit unter einer Minuten auch teuflisch schnell etwa gleichstarke Gegner zuweist, und dem Ligensystem, in dem ich immer mit 99 anderen Spielern im direkten Vergleich stehe und somit eine überschaubare Menge anstatt etwa Platz 100.000 vor Augen habe, beeindruckt mich der meist lagfreie, sich auf LAN-Niveau befindliche Spielbetrieb, der es erlaubt z.B. eine Einheit erst genau dann zurückzuziehen, wenn der nächste Treffer ihren Tod bedeuten würde. Im Grunde alles eitel Sonnenschein also? Wovon hat in der jeweils besten für Deutschland bestimmten Version "WarCraft - Orcs & Humans" rund 80, "WarCraft II" und "Diablo" rund 90, "StarCraft" und "Diablo II" rund 100 und "WarCraft III" etwa 170 und "World of WarCraft" sogar 210 während "SC2" keine 30 hat? Na, Seiten in der Anleitung! "SC2" ist das erste Hauptspiel, dass unter Activision Blizzard veröffentlicht wird, hat mehrere Millionen Vorbestellungen, einen empfohlenen Verkaufspreis von perversen 60 € und dann wird noch gespart, wo es irgendwie geht. Nee, nee, nee... was für ein unnötiger Patzer! |
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Fazit:Trotzdem fällt die Zusammenfassung leicht: Das Warten und damit der erneut bedachte Produktionsprozess hat sich ein weiteres Mal mehr als gelohnt, denn Blizzard ist es nunmehr seit "WarCraft II" (1995) zum siebten Mal hintereinander gelungen nicht nur das beste Spiel seines Genres, sondern eines der besten Videospiele überhaupt zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung abzuliefern. Steuerung, Akustik und Gesamtdesign sind erneut anbetungswürdig und hohe Systemanforderungen glänzen - wie üblich - mit Abwesenheit, auch wenn z. B. eine vernünftige Unterstützung von mehr als zwei CPU Cores wünschenswert wäre, aber Core 2 Duos und ähnliche CPUs sind ja leicht und gut zu übertakten. |
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Selbst wenn man derzeit für "SC2" über 40 € hinlegen muss [seit dem 14.11.2017 ist es Free-to-Play], kann ich jedem passionierten Gamer nur empfehlen keinen weiteren Tag unnütz verstreichen zu lassen und dieses Spiel in seinen Besitz zu bringen. Die Kampagne unterhält einen durchschnittlich guten Spieler mit ihren Achievements rund 30 Stunden und der Multiplayermodus kann - da bin mir ganz sicher - sogar über Jahre fesseln.
Nachtrag:
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POSITIV: - absoluter Genrehöhepunkt - Steuerung anbetungswürdig - Akustik anbetungswürdig - Design anbetungswürdig |
NEGATIV: - mangelnde CPU Optimierung - Balance Dauergepatche |